Antifaschist*innen demonstrieren gegen AfD-Bezirksparteitag in Steglitz-Zehlendorf

29. Januar 2018 | News Redaktion

Rund 50 Antifaschist*innen haben am 16. Dezember 2017 gegen den Bezirksparteitag der AfD Steglitz-Zehlendorf am S-Bhf. Wannsee demonstriert. Unter lautstarken Protesten der Antifaschist*innen versammelten sich ab 13 Uhr rund 60 Mitgliede der rassistischen, nationalistischen und frauenfeindlichen Partei im Hotel und Restaurant BonVerde. Die Kundgebung richtete sich nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen das BonVerde - auch bekannt als Wannsee-Hof - das seit Jahren der AfD einen Raum für Veranstaltungen bietet.

Einzelne Mitglieder der AfD provozierten die Kundgebung mehrfach. Insbesondere Andreas Wild stach hierbei wie so häufig heraus. Gemeinsam mit einem "Kameraden" kam er bis auf einen Meter an die Kundgebung heran und pöbelte dort rum. Erst als Antifaschist*innen deutlich machten, dass sie sich die Provokationen nicht weiter gefallen lassen, griff die Polizei, die "aus Sicherheitsgründen" die Kundgebung 100 Meter vom Eingang des BonVerde weg verlegt hatte, ein. Sie erteilte nicht etwa den beiden AfDlern einen Platzverweis, sondern zog eine Kette vor der Kundgebung auf und drohte der antifaschistischen Kundgebung mit dem Einsatz physischer Gewalt. Ein anderer AfDler versuchte sich als Anti-Antifa-Fotograf und machte mit einem Teleobjektiv Fotos der Kundgebung - unter Schutz der PMS (1).

Der Bezirksparteitag der AfD, der offiziell um 14 Uhr angesetzt war, begann wohl auch wegen der Gegenproteste mit einiger Verzögerung. Im Mittelpunkt stand die Neuwahl des Vorstandes des Bezirksverbandes. Vorsitzender blieb Gottfried Curio, der für die AfD mittlerweile im Bundestag sitzt. Ansonsten wurde der Vorstand deutlich umstrukturiert: Volker Graffstädt, Birgit Malsack-Winkemann (Bundestag), Lutz Ammer (BVV-Fraktion), Wolfgang Blum und Markus Oberhauser gehören ihm nicht mehr an. Dafür wurden Antonia Kiworr (Geschäftsführerin der AfD-BVV-Fraktion), Andreas Wild (Abgeordnetenhaus), Michael Kudoll und Felix Wolf neu in den Vorstand gewählt. Kiworr und Kudoll waren bereits nachträglich in den altne Vorstand berufen wurden. Der aktuelle Vorstand besteht aus: Gottfried Curio (Vorsitzender), den drei Stellvertreter*innen Antonia Kiworr, Sabine Gollombeck und Andreas Wild, dem Schatzmeister Johann Trülzsch und den Beisitzenden Michael Kudoll und Felix Wolf.

Bemerkenswert ist die Wahl von Andreas Wild. Er gehörte bereits in den Vorjahren zeitweise dem Vorstand an, wurde jedoch im Sommer letzten Jahres aus der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgeschlossen und als Direktkandidat in Neukölln abgesägt. Aus seiner früheren Zeit im Vorstand des Bezirksverbandes kursieren Veruntreuungsvorwürfe gegen ihn. Seine Wahl in den Vorstand ist auch ein Ausdruck der Konfliktlinien innerhalb der AfD. Im Vorfeld des Bezirksparteitags hatte Wild eine Sondernummer der AfD-Bezirkszeitschrift "Der blaue Bote" herausgegeben, die in erster Linie eine Hetzschrift gegen den bis dahin amtierenden Vorstand und eine Wahlwerbung in eigener Sache, sowie für seine Vertrauten Volker Graffstädt und Sybille Schmidt (AfD-Direktkandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg) war. Ähnliche Intrigen hatte Wild bereits vor dem Landesparteitag der Berliner AfD gesponnen, bei dem er maßgeblich an der Absetzung von Beatrix von Storch als Landesvorsitzende beteiligt war. Nach Einschätzung der Antifaschist*innen sind es solche Aktionen und nicht wie offiziell behauptet die Hetzreden von Wild, die zu seinem Ausschluss aus der AfD-Fraktion geführt haben.

Strukturell wurde die Steglitz-Zehlendorfer AfD bei der Durchführung der Wahlen von anderen Bezirksverbänden unterstützt. Hugh Bronson (Abgeordnetenhaus, AfD Charlottenburg-Wilmersdorf), Frank-Christan Hansel (Abgeordnetenhaus, AfD Tempelhof-Schöneberg) und Jan von Ertzdorff-Kupffer (Charlottenburg-Wilmersdorf) haben die Sitzung geleitet. Michael Dräger und Karsten Frank (beide AfD Tempelhof-Schöneberg) waren in der Zählkommission.

In Redebeiträgen wurden auf der antifaschistischen Kundgebung auch andere AfD-Locations im Bezirk, wie das Haus der Burschenschaft Gothia, das Büro der Arbeitsvermittlung Arbeit und Beratung von Andreas Wild sowie das Abgeordnetenbüro von Wild und Hans-Joachim Berg am S-Bhf. Lichterfeld Ost thematisiert. Auch das Restaurant Maestral in Reinickendorf und der Ratskeller Charlottenburg, die gemeinsam mit dem BonVerde die wichtigsten Veranstaltungsorte der AfD in Berlin sind, wurden angesprochen. Insbesondere bei den Menschen aus dem Bezirk fanden die deutlichen Worte zum politischem Klima vor Ort positive Resonanz. Im Redebeitrag wurde in dem insbesondere von der CDU vorangetriebenen und von FDP und Grünen mitgetragene geschichtsrevisionistische Kurs im Bezirk - verwiesen wurde auf die Debatten um den 8. Mai 2005 (2), die Versuche die Spiegelwand, ein Denkmal für die ermordeten Juden und Jüdinnen, zu verhindern (3) und das Festhalten an der Treitschke-Straße (4) - habe den Nährboden geschaffen, der die lokale AfD zum bedeutendsten Bezirksverband Berlin gemacht hat. Die CDU habe über Jahrzehnte die extrem rechte Burschenschaft Gothia in Zehlendorf unterstützt, die nun eine maßgebliche Stütze von Junger Alternativen und Identitären Bewegung ist. Und bereits kurz nach der Wahl verhinderten eine Front aus CDU und AfD in der BVV eine Stadtratskandidatin der SPD, weil diese früher Mitglied der Roten Hilfe war.

Die Kundgebung war Teil der Kampagne "Kein Raum der AfD". In deren Rahmen hatten erst wenige Wochen vorher Antifaschist*innen gegen den Landesstammtisch der AfD im Ratskeller Charlottenburg und gegen einen sogenannten „Bürgerdialog“ der AfD im Rathaus Köpenick protestiert. Den Landesstammtisch hatte die AfD daraufhin abgesagt.

Im Anhang finden sich Fotos der Teilnehmer*innen des Bezirksparteitags. Sämtliche Fotos stammen von der AfD selbst. Über Hinweise zu den abgebildeten Personen freuen sich sicherlich die Genoss*innen, die die empfehlenswerte Recherche-Broschüre zur Berliner AfD herausgebracht haben, via noafd[at]riseup.net.

1) Wolfgang Blum
2) Antonia Kiworr
3) Birgit Malsack-Winkemann
4) Michael Kudoll
5) Sarah Leins
6) Franz Seltsam (?)
7) Paul Kneifel
8) Sabine Gollombeck
9)
10) Johann Trülzsch
11) Volker Graffstädt
12) Peer Döhnert
13)
14) Lutz Ammer
15)
16)
17) Felix Wolf
18) Yvonne Cremer
...
33) Kirstin Briker
...
40)

Ab hier nur auf Foto Teilnehmerinnen2
41) Gottfried Curio
42) Hans-Joachim Berg
43) Benjamin Austin (Beisitzer im JA-Landesvorstand)
44)
45)

Ab hier nur auf Foto Zählkomission
46) Michael Dräger (Tempelhof-Schöneberg)
47)
48)
49) Karsten Frank (Tempelhof-Schöneberg)

Ab hier nur auf Foto Sitzungsleitung1
50) Hugh Bronson (Charlottenburg-Wilmersdorf)
51) Jan von Ertzdorff-Kupffer (Charlottenburg-Wilmersdorf)

Ab hier nur Foto Sitzungsleitung2
52) Frank-Christian Hansel (Tempelhof-Schöneberg)

Ab hier nur Foto Teilnehmerinnen3
53) (hat Gegenprotest abfotografiert)
54) Eckhard Keems

Ebenfalls da, aber auf keinem Foto der AfD:
* Sybille Schmidt

P.S.: Wir sehen uns bei den Protesten gegen den AfD-Aufmarsch in Kreuzberg am 17.02.

(1) Abteilung politisch motivierte Straftaten des Berliner Staatsschutz. Ein besonders widerlicher Haufen der Berliner Polizei zur Jagd auf Linke. Betroffene vermuten, dass aus deren Kreisen die Drohbriefe stammen, die kurz vor Weihnachten an linke Läden in Berlin verschickt wurden.
(2) Die lokale CDU stemmte sich dagegen den 8. Mai als Tag der Befreiuung zu begehen. Stattdessen wollte sie an "den Schrecken und das Leid der Bevölkerung" erinnern, "den die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat". Siehe unter anderem: http://www.hagalil.com/archiv/2005/04/steglitz.htm und https://www.taz.de/!642934/
(3) Anfang der 1990er sollten berlinweit Denkmäler für die ermordeten Juden und Jüdinnen aus den Bezirken gebaut werden. Gemeinsam mit FDP und Republikanern versuchte die lokale CDU ein Denkmal in Steglitz zu verhindern. Hätte der Senat damals den Bezirk nicht entmachtet, wäre die Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz nicht gebaut wurden. Siehe unter anderem: Antifaschistischen InfoBlatt Nr. 27 / 3.1994 und https://www.taz.de/!1561844/
(4) Heinrich von Treitschke hat es durch seinen Ausspruch "Die Juden sind unser Unglück" zu trauriger Berühmtheit geschafft. Treitschke war maßgeblich daran beteiligt, den Antisemitismus im deutschen Bürgertum hoffähig zu machen. Er gilt daher als Wegbereiter des Holocaust. Bis heute ist in Steglitz eine Straße nach ihm benannt. Die Versuche einer Umbenennung scheiterten zuletzt an CDU und Grünen.

Erstveröffentlichung auf Indymedia am 23. Januar 2018

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